Leider musste das für den 1. April 2020 geplante Symposium "Ergebnisse des Projekts 'Flucht als Sicherheitsproblem' - Vorstellung und Diskussion" aufgrund der Coronapandemie abgesagt werden.

 

Erstes Symposium im Juni 2018

„Flucht als Sicherheitsproblem“: Symposium mit Praktiker*innen aus dem Kontext Flüchtlingsaufnahme, Flüchtlingsunterbringung, Kriminalität und Statistik am 07. Juni 2018 an der Ruhr-Universität Bochum

 

Kriminalitätsentwicklungen im Kontext von Flucht und Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden nordrhein-westfälischer Bürger*innen waren die Themen des Symposiums des Forschungsprojektes „Flucht als Sicherheitsproblem“. Das Symposium richtete sich an Vertreter*innen aus der (kommunalen) Flüchtlingsunterbringung, der in den Kommunen mit Statistik befassten Behörden und der Polizei der 16 untersuchten Kommunen und Landkreise. Das Ziel war der Austausch mit Praktiker*innen, um deren Einschätzungen der Situation vor Ort und der spezifischen Herausforderungen bei der Auswertung und Interpretation von polizeilichen Hellfelddaten miteinzubeziehen.

 

 Prof. Dr. Thomas Feltes bei der Begrüßung der Symposiumsteilnehmer*innen„Flucht als Sicherheitsproblem“ – der in Vergleich mit anderen Projekten kurze Titel des vorgestellten Forschungsprojekts sei mehrdeutig zu verstehen und so solle er  durchaus auch verstanden werden, machte Professor Dr. Thomas Feltes zu Beginn der Tagung deutlich. Flucht aus einer Krisenregion sei insbesondere für die Menschen, die sich auf diesen Weg begeben, ein enormes Sicherheitsrisiko. Demnach wolle das Forschungsprojekt sowohl die Dr. Mark Terkessidis während seines VortragesVeränderungen der Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen durch die Aufnahme Geflüchteter untersuchen als auch die Sicherheitslage von Geflüchteten, die auf der Flucht und im Aufnahmeland mit Kriminalität konfrontiert seien.

 

Nach der Begrüßung leitete Dr. Mark Terkessidis mit seinem Vortrag thematisch in den Vormittag ein. Aufbauend auf den Thesen seines Buches „Nach der Flucht. Neue Ideen für die Einwanderungsgesellschaft“ stellte er zunächst den konventionellen Integrationsbegriff infrage. Nach der inzwischen fünften größeren Einwanderungsbewegung nach Deutschland sei es abstrus, dass weiterhin die gleichen Probleme diskutiert würden und die gleichen Diskurse vorherrschten. Der Begriff Integration sei dabei stets normativ problemorientiert verstanden worden; die neu nach Deutschland Zugezogenen würden bei Integrationsmaßnahmen als defizitär betrachtet. Es sei aber Zeit, die Realität der „Vielheit“ zu akzeptieren. Als Alternative zum Integrationsbegriff schlug er deshalb den Begriff der Interkultur und damit einhergehend einen Vielheitsplan vor. Institutionen und Organisationen müssten sich fit machen für die Realitäten in der Gesellschaft. Dies bedeute zum einen Personal zu rekrutieren, das die Vielheit der Gesellschaft adäquat wiederspiegele; zum anderen sei ein Kulturwandel in den Institutionen und Organisationen notwendig, der den Blick auf diese Vielheit weite und berücksichtige.

 

 
Video des Vortrags "Neue Ideen für die Einwanderungsgesellschaft" von Dr. Mark Terkessidis
 
 

 

Im Anschluss stellte Professorin Dr. Ingke Goeckenjan stellvertretend für das Projektteam das Projekt und den derzeitigen Projektstand vor (Projektvorstellung Flucht als Sicherheitsproblem). Das Projekt habe drei Projektbausteine: Der erste Projektteil beschäftige sich primär mit der Auswertung der (registrierten) Kriminalität von Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen. Dem Projekt seien dafür polizeiliche Hellfelddaten aus drei Datenbanken (Einsatzleitsystem eCEBIUS, Vorgangsbearbeitungssystem IGVP und Polizeiliche Kriminalstatistik) für 16 Landkreise und Kommunen zur Verfügung gestellt worden. Der zweite Baustein sei die Prof. Dr. Ingke Goeckenjan stellt das Projekt vorBefragung von Geflüchteten zu ihren Opfererlebnissen von Kriminalität und Gewalt in Nordrhein-Westfalen. Als dritter Baustein seien Interviews mit Bürger*innen Nordrhein-Westfalens geplant, um mögliche Veränderungen im Sicherheitsgefühl zu analysieren. Die Realisierung der zwei letztgenannten Bausteine sei erfreulicherweise ebenfalls gesichert, da das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen kürzlich den Antrag auf Verlängerung des Projektes bis Mai 2020 genehmigt habe.

 

Frau Professorin Goeckenjan stellte sodann die methodischen Ansätze für die Auswertung der polizeilichen Hellfelddaten vor. Dabei hob sie Herausforderungen hervor, mit denen das Projekt konfrontiert sei. Beispielweise sei der Arbeitsbegriff „Geflüchtete“ aufgrund unterschiedlicher Rechtsbegriffe, damit einhergehender unterschiedlicher Bleibeperspektiven sowie der Heterogenität der Flüchtlingspopulation in den Jahren 2014 bis 2016 schwierig zu fassen und in der Auswertung der polizeilichen Hellfelddaten mit der polizeilichen Begrifflichkeit des „Zuwanderers“ kaum zu vereinen. Diese und andere Herausforderungen wolle man gemeinsam mit den Gästen aus der Praxis kritisch beleuchten.

 

Nach der Mittagspause wurden in Themenforen einzelne Fragestellungen und Herausforderungen des Projekts intensiver diskutiert. Nach Kurzvorträgen durch Vertreter*innen des Projekts ergaben sich in den einzelnen Themenforen angeregte Diskussionen; die Gäste gaben Rückmeldungen und Hinweise aus der Praxis, die zum Verständnis der Kriminalitätsentwicklungen und des Sicherheitsempfindens in den einzelnen Kommunen und Landkreisen beitragen.

 

Das Symposium endete mit einer Gesamtbetrachtung des Diskussionsstandes in den einzelnen Themenforen. Das Projektteam konnte dabei von vielen interessanten und hilfreichen Hinweisen durch die Praktiker*innen aus Polizei, Flüchtlingsunterbringung und anderen kommunalen Stellen berichten. Diese werden Eingang in die Arbeit des Forschungsprojektes finden.

 

Die Ergebnisse der Themenforen im Überblick:

 

Themenforum 1: Spezifische Ursachen der Straffälligkeit von Geflüchteten

Nach der Vorstellung des Forschungsstandes über Ursachen der Straffälligkeit von Geflüchteten diskutierten die Teilnehmenden über die Rolle von Alter und Geschlecht, von Strukturen in Unterkünften, von Teilhabechancen wie Erwerbsmöglichkeiten sowie über die besondere Situation der Menschen ohne Bleibeperspektive. Hinsichtlich der mehrheitlich jüngeren und männlichen Geflüchteten brachten die Teilnehmenden Verständnis für ein in dieser Alters- und Geschlechtsgruppe häufiger vorkommendes deviantes Verhalten auf. Bei deutschen Vergleichsgruppen seien ähnliche Verhaltensmuster zu erwarten. Die gemeinsame Unterbringung von jungen Männern in Unterkünften verstärke deren Devianz. Zum Vergleich wurde der Fall junger britischer Soldaten genannt, die in Deutschland stationiert waren und vielfach durch Lärmbelästigung und Vandalismus aufgefallen seien. In den Unterkünften für Geflüchtete gebe es häufig zu wenig Beschäftigungsmöglichkeiten und damit Tagesstrukturen. Man bringe die Menschen unter, ohne sich dann ausreichend um diese zu kümmern; Präventionsmaßnahmen und soziale Kontrolle fehlten. Es sei davon auszugehen, dass sich bei Einführung der Ankerzentren das Gewaltpotenzial vergrößere.

 

In denjenigen Unterkünften, in denen Strukturen für Tagesbeschäftigung, Ausbildungsplatzsuche oder Praktika vorhanden sind, gebe es kaum Probleme. Mit Blick auf fehlende Teilhabechancen wurde besprochen, dass in der Regel der größte und stärkste Mann losgeschickt würde, um seine Familie von Deutschland aus finanziell zu unterstützen. Wenn dieser keinen Zugang zu legalen Erwerbsmöglichkeiten habe, dann müsse er (aus subjektiver Sicht) mit illegalen Mitteln, z.B. durch Ladendiebstähle oder Drogendelikte, die Erwartungen seiner Familie erfüllen.

 

Die Situation der Menschen ohne Bleibeperspektive stelle sich als besonders prekär dar; für sie stünden kaum Ressourcen zur Verfügung. Problematisch sei, dass diese nach eigenen Angaben häufig keine Papiere besäßen. Bis die Identitätsfeststellung abgeschlossen sei, vergehe häufig viel Zeit. Es sei letztlich möglich, bis zur Einbürgerung unter einer falschen Identität in Deutschland zu verbleiben. Durch das Auslesen der Smartphones könne man bei der Registrierung häufig Kopien der Pässe aufspüren, jedoch sei diese Maßnahme sehr personalintensiv. Ein zweistelliger Prozentteil der Menschen ohne Bleibeperspektive habe – so die Erfahrung eines Teilnehmenden ­­– kein Interesse sich zu integrieren, bspw. die deutsche Sprache zu erlernen. Eine Ausweisung sei aus den genannten Gründen häufig schwierig. Es wurde jedoch auch angemerkt, dass vor der Abschiebung mehrere mildere Mittel wie die Rückkehrberatung angewendet würden. Viele Menschen ohne Bleibeperspektive bevorzugten die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise.

 

Themenforum 3: Statistische Herausforderungen in der Auswertung polizeilicher und kommunaler Daten

Auf Grundlage der bekannten Probleme der polizeilichen Hellfelddaten und des vorgestellten Untersuchungsdesigns des Forschungsprojekts wurden die Herausforderungen in der Auswertung polizeilicher Daten problemorientiert mit den Teilnehmenden diskutiert. Die grundlegende Fragestellung betraf die Operationalisierung des Geflüchtetenbegriffs: Wer kann dazu gezählt werden und welche Definition spiegelt sich in den polizeilichen Daten wider? Eine Auswertung des Schlagwortes „Zuwanderer“ wurde vonseiten der Teilnehmenden nicht empfohlen, da es hierbei mehrere Probleme gebe. Erstens habe es einige Zeit gedauert, bis das Schlagwort konsequent in der Praxis angewendet wurde. Zweitens sei es für die Polizeibeamtinnen und -beamten vor Ort häufig nicht nachzuvollziehen, welchen Aufenthaltsstatus die Geflüchteten besitzen, weshalb Personen gegebenenfalls falsch kategorisiert würden. Sachbearbeiter*innen in den Behörden seien für die Überprüfung und die endgültige Bezeichnung in den Statistiken zuständig, jedoch sei von einem Fortbestehen einer gewissen Fehlerrate auszugehen. Letztlich sei das Schlagwort ohnehin schwierig, da es Asylsuchende und -berechtigte zusammenzähle, also Menschen, die sich noch im Asylverfahren befinden, und Menschen, die das Verfahren bereits durchlaufen haben.

 

Hinsichtlich der Erfassung des Aufenthaltstitels zeigten sich ähnliche Probleme. So wurde die Überprüfung des Aufenthaltstitels mit den Daten des Ausländerzentralregisters als kritisch bewertet, da sich die Daten aufgrund des BAMF-Skandals als derzeit unzuverlässig darstellten. Um diese Probleme abzumildern und eine validere Auswertung zu erzielen, wurde der Abgleich des Schlagwortes „Zuwanderer“ mit dem Aufenthaltstitel sowie dem Herkunftsland angeregt.

 

Die weitere Diskussion drehte sich um die Kategorie „Position in Unterkunft“ in dem Vorgangsbearbeitungssystem IGVP und „Objekt“ im Einsatzleitsystem eCEBIUS. Über die Kann-Angabe „Position in Unterkunft“ kann erfasst werden, welche Stellung eine Person in der Einrichtung hat (bspw. Geflüchteter, Betreiber der Einrichtung, Sicherheitsdienst). Die Angaben seien jedoch fehleranfällig, da sich die Polizei auf Berichte z.B. der Sicherheitsdienste verlassen müsse.

 

Mithilfe der Variable „Objekt“ können Einsätze der Polizei, die an speziellen Plätzen oder Gebäuden stattfinden, erfasst werden (bspw. Unterkunft, Synagoge). Die Auswertung auf Ebene der Unterkunft gestalte sich allerdings als schwierig; zum Abgleich könnten Einsätze, die als Objektschutz registriert sind, zu Rate gezogen werden.

Als letzter Punkt stand die Zusammenführung der Daten der verschiedenen polizeilichen Datenbanken (eCEBIUS, IGVP und PKS) zur Diskussion. eCEBIUS und IGVP/PKS sind grundsätzlich zwei voneinander getrennte Datenbanken. Es sei jedoch unter Umständen möglich, die Datensätze IGVP/PKS unter dem Aktenzeichen zusammenzulegen; jedoch müsse dabei auf die Tatanzahl geachtet werden.

 

Themenforum 4: Konflikte und ihre Bearbeitung in Unterbringungseinrichtungen

Nach der Vorstellung des Forschungsstandes wurden die Teilnehmenden um ihre Einschätzung zu Konflikten in Unterbringungseinrichtungen und ihren Ursachen gebeten. Dabei wurden die prekäre rechtliche Situation und die allgemeine Lebenssituation als Auslöser für Konflikte beschrieben. In den Landeseinrichtungen sei das Konfliktpotenzial gestiegen, da Menschen dort zunehmend länger als sechs Monate verblieben. Auf Landesebene seien jedoch u.a. durch das Gewaltschutzkonzept deutlichere Strukturen in Bezug auf Betreuung, Sicherheit und eine klare Hierarchie an Ansprechpersonen vorhanden. Sind Ansprechpersonen zur Meldung von Konflikten und Delinquenz für die Menschen erkennbar, würden diese in der Regel auch genutzt.

Auf kommunaler Ebene seien nicht überall Beschwerdesysteme vorhanden. In kommunalen Einrichtungen ließen sich als Auslöser für Konflikte unter anderem gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten wie Küchen oder Sanitärräume nennen. In manchen Kommunen würden die Konflikte untereinander oder mittels eines Hauswartes geregelt, der nach eigenem Ermessen die Polizei oder den Rettungsdienst alarmiere. Aus Sicht eines Teilnehmenden sei kein Anstieg an Konflikten und Delinquenz zu verzeichnen und die Erfahrungen werden, ohne Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten, als insgesamt gut bewertet.

 

Fehlende Tagesstrukturen wurden zudem als Ursache von Konflikten identifiziert. Hierbei wurde zwischen den Menschen mit und ohne sogenannte Bleibeperspektive unterschieden. Für Menschen mit Bleibeperspektive seien Tagesstrukturen in Form von Integrationsmaßnahmen vorhanden. Für Menschen ohne Bleibeperspektive gebe es in der Regel nur Angebote, die von ehrenamtlichen Helfer*innen angeboten werden. Öffentliche Gelder würden in Unterbringungseinrichtungen für Menschen ohne Bleibeperspektive allenfalls für Ausgaben wie der Raumpflege verwendet.

 

Es seien normale zwischenmenschliche Konflikte wie Konflikte über Ordnung oder Lautstärke, die in den Einrichtungen dominierten. Für eine kommunale Einrichtung wurde angegeben, dass es sich zumeist um kleinere Vergehen, wie das Rauchen auf dem Zimmer, handele. Es würden zudem kleinere körperliche Auseinandersetzungen beobachtet, bei denen insbesondere Menschen aus Balkanländern auffielen, die so ihre Familienstreitigkeiten austrügen. Seltener gebe es Drohungen gegen Sozialarbeiter*innen oder den zuständigen Hauswart. Von anderer Seite wurde betont, dass Nationalität und Religion keine bedeutenden Auslöser für Konflikte innerhalb der Unterkünfte seien. In seltenen Fällen gebe es Übergriffe auf Verfolgte aus der LSBTTIQ-Gruppe, dies hänge allerdings davon ab, wo sich die Einrichtung befinde und wie diese ausgestattet sei. In Bezug auf die Einrichtung von Ankerzentren wurde von einer Teilnehmenden betont, dass die Wohngegebenheiten lagerartig und ausgrenzend seien und eine gemeinsame Unterbringung von mehr als 500 Menschen zu einem Anstieg des Konfliktpotenzials führen würde.

 

Die Bearbeitung von Konflikten wurde uneinheitlich bewertetet; hierbei wurde auf Unterschiede zwischen Landeseinrichtungen und kommunalen Einrichtungen verwiesen, wobei sich die kommunalen Einrichtungen teils deutlich unterschieden. Auf Landesebene habe sich das Beschwerdemanagement bewährt und die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniere gut. Dies hänge aber von dem jeweiligen Auftrag und der spezifischen Rolle der Polizeibeamt*innen ab; sähen sich die Beamt*innen als „Freund und Helfer“ oder sähen sie ihre Funktion darin, eine Drohung auszusprechen und durchzugreifen. Die Bearbeitung in kommunalen Einrichtungen wurde unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite wurde angesprochen, dass man die Anzahl an Konflikten noch reduzieren könne, aber dass die Bearbeitung gut ablaufe, ebenso wie die Zusammenarbeit mit der Polizei. Andererseits wurde angemerkt, dass in kommunalen Einrichtungen ohne klare Meldestrukturen Konflikte in der Regel intern geklärt würden und nicht ins polizeiliche Hellfeld gelangten.

 

Themenforum 5: Verändertes Sicherheitsempfinden von Bürger*innen in Nordrhein-Westfalen?

Ausgangspunkt der Diskussion war die These, dass das schwindende Sicherheitsgefühl der Bürger*innen in Nordrhein-Westfalen durch die globalen Herausforderungen der modernen Zeit verursacht wird. Das Individuum fürchte den Kontrollverlust, der sich in der Kriminalitätsfurcht verstetige. Ein hilfreiches Konzept sei dabei das der „Liquid Fear“ von Zygmunt Bauman. Die Teilnehmenden diskutierten diese These und wurden befragt, wie ihrer Meinung nach allgemeine Ängste methodisch in qualitativen Interviews mit Bürger*innen aufgenommen werden sollten.

 

Der These, dass allgemeine Ängste wie die Sorge vor Auswirkungen der Globalisierung eine Rolle bei der Entstehung von Kriminalitätsfurcht spielen, wurde zugestimmt. Bei der Befragung sollten solche Ängste einbezogen werden und insbesondere auch die emotionalen Aspekte der Kriminalitätsfurcht beleuchtet werden. Es sei auffällig, dass die Veröffentlichung von Zahlen und Statistiken keine Wirkung in der Bekämpfung von irrationalen Ängsten in der Bevölkerung zeigten. Auch die Rolle der Medienberichterstattung wurde dahingehend intensiv diskutiert. Als Beispiel wurde die Berichterstattung zum Wohnungseinbruch genannt. Bei dieser sei folgende Dynamik zu beobachten gewesen: Die Berichterstattung sei stetig gestiegen, während die strategische Reaktion der Strafverfolgung auf sich warten ließ. Durch die mediale Fokussierung, die die reale Lage überschattet habe, sei die Verbrechensfurcht in der Bevölkerung gestiegen. Letztlich habe die Furcht aber wieder abgenommen. Dies sei auch hinsichtlich der Furcht vor Geflüchteten zu erwarten. Der Wegfall stabiler familiärer Strukturen wurde zudem als Ursache für die Furcht vor Kontrollverlust genannt. Früher hätten Familienstrukturen diese Furcht kompensiert; heute müsse von anderer Seite Kontrolle vermittelt werden. Dabei sei es aber auch notwendig, deutlich zu machen, dass hundertprozentige Kontrolle (und damit Sicherheit) nicht zu erreichen wären.

 

Der Polizei komme in der Bearbeitung der Kriminalitätsfurcht hinsichtlich Geflüchteter eine wichtige Rolle zu. So könne die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei zu einer Senkung der Kriminalitätsfurcht führen. Auf kommunaler Ebene sei die Mitarbeit bspw. bei Runden Tischen der Integrationsarbeit wichtig. Die Berichterstattung von aufgearbeiteten Fällen und Erfolgen in der Strafverfolgung könnten das Vertrauen der Bevölkerung stärken. Die Menschen glaubten immer noch vorrangig der Polizei und nicht den Medien.

Im Anschluss wurden Gewaltkonflikte im Kontext Flucht diskutiert, da diese besonders von der Bevölkerung wahrgenommen würden. Diesbezüglich wurde geäußert, dass bei Menschen mit Migrationshintergrund oftmals durchaus andere Strategien und Einstellungen in Konfliktsituationen zu beobachten seien. Von anderer Seite wurde die Rolle von prekären Lebenslagen hervorgehoben, die ursächlich für diese Formen der Konfliktbearbeitung seien. Erfahrungen aus Landeseinrichtungen zeigten, dass Alkoholkonsum und Perspektivlosigkeit eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Konflikten spielen. Diese Konflikte seien ebenso unter anderen Bevölkerungsgruppen zu finden.

 

 

Die Themenforen 2 („Kriminalität von und gegen Geflüchtete in den Medien“) und 6 („Opfererlebnisse von Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen“) entfielen aufgrund des größeren Interesses der Teilnehmenden an den anderen Themenforen.

 

 

Information für Interessierte: Während sich dieses Symposiums als Arbeitstreffen zwischen Forschung und Praxis an eine beschränkte Teilnehmendengruppe richtete, soll es im Verlauf des zweiten Projektteils auch ein offenes Veranstaltungsformat geben, bei dem (Zwischen-)Ergebnisse des Projekts einem breiteren Publikum präsentiert werden.