Forschungsziel und Methodik

Die Studie soll das Ausmaß und die Entwicklung der registrierten Kriminalität und der eigenen Viktimisierungserfahrungen von Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen analysieren und die Befunde in einen Zusammenhang mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und der in klassischen und neuen Medien veröffentlichten Meinung stellen. Dazu werden polizeiliche Daten zur Kriminalität und Viktimisierungserfahrung von Geflüchteten mit sozialräumlichen Daten in einen vergleichenden Zusammenhang gestellt und unter Einbeziehung von Ergebnissen thematisch verwandter empirischer Studien ausgewertet. Zudem soll eine Analyse klassischer und neuer (sog. „sozialer“) Medien und die Auswertung von Daten der Bochumer Sicherheitsstudien aus den Jahren 1976–2016 („Bochum I-IV“) einen Vergleich der polizeilich vermittelten Kriminalitäts- und Viktimisierungslage mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ermöglichen.

Finanzierung: Drittmittel des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen; Eigenmittel des Lehrstuhls für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum

Laufzeit des Projektes: Juni 2017 – Mai 2020

Grundannahmen und Ausgangslage

Das Projekt geht von folgenden Grundannahmen aus:
1.    Deutschland ist in besonderem Maße von den gegenwärtigen Fluchtbewegungen betroffen, wobei Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich den größten Zuzug zu verzeichnen hat.
2.    In der Bevölkerung wird der Zuzug von Geflüchteten auch mit der Sorge um eine Veränderung tradierter Wert- und Kulturvorstellungen und der Angst vor steigender Kriminalität in Verbindung gebracht.  
3.    Die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt einen Anstieg der von Ausländer*innen begangenen Kriminalität, wobei dieser Befund angesichts der statistischen Verzerrungsfaktoren wenig aussagekräftig ist.
4.    Der Migrationshintergrund wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik unzureichend abgebildet.
5.    Kriminalität ist – kriminologisch betrachtet – keine Frage des Passes (oder der ethnischen Herkunft), sondern eine Frage von Lebenslagen.
6.    Der Sozialraum spielt eine ganz erhebliche Rolle bei der Entwicklung von Kriminalität. Ob und ggf. in wieweit sozialräumliche Aspekte bei der Interpretation der Flüchtlingskriminalität eine Rolle spielen, ist zu prüfen.

Forschungsfragen

Das Verbundprojekt „Flucht als Sicherheitsproblem“ knüpft an die gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen im Umgang mit Flucht und Geflüchteten an und untersucht vor dem Hintergrund des Forschungsstandes und bestehender Forschungslücken folgende Fragen:

1.    Wie verläuft die registrierte Kriminalität von Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen seit 2014 und welchen sozialräumlichen Einflüssen ist dieser Verlauf unterworfen?
2.    Wie sind die Daten der registrierten Kriminalität im Vergleich mit den Befunden der Dunkelfeldforschung zu bewerten und zu interpretieren?
3.    Welche Unterschiede bestehen zwischen Tatverdächtigen und Deliktsstruktur im Hinblick auf verschiedene Herkunftsländer, insbesondere zwischen (nord-)afrikanischen Ländern und Syrien, Afghanistan und Irak?
4.    Inwiefern können soziodemographische Faktoren (Alter, Geschlecht, Bildung) mutmaßliche Unterschiede zwischen den Herkunftsländern erklären? (Dieser Aspekt soll in einem Folgeprojekt vertieft behandelt werden. In dem jetzt beantragten Projekt werden die theoretischen Grundannahmen und konkrete Fragestellungen herausgearbeitet)
5.    In welchem Ausmaß werden Geflüchtete Opfer von Kriminalität?
6.    Wie wirken sich Fluchtbewegungen und die Aufnahme Geflüchteter auf das subjektive Sicherheitsgefühl und die öffentliche und veröffentlichte Meinung aus?

Ergebnistransfer

Angesichts der geografischen, politischen und medialen Dynamik des adressierten Themas sind neben einem zum Ende der Projektlaufzeit vorgesehenen Abschlussbericht halbjährlich erscheinende Zwischenberichte und zwei Symposien vorgesehen. Der Abschlussbericht ist für Mai 2020 geplant. Projektbegleitend werden Ergebnisse in Form von Fact Sheets, den sogenannten "Fluchtpunkten", aufbereitet und der Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Zusätzlich sollen die Projektergebnisse gezielt über vorhandene Netzwerke z.B. in den Bereich der Kommunen (Städtetag NRW), der Polizei (Sitzungen der AG der Polizeipräsidenten) und der NGOs gestreut werden.